Kaufberatung RD400


Garagenfund. Zwar "nur" eine 250er, aber dafür absolut original, aus Erstbesitz, Originalbrief - dazu noch das seltene Exemplar mit Drahtspeichenrädern, nur kurz gebaut im ersten Produktionsjahr der "Sargtank-RD". Tank beulenfrei und ohne Innenrost, makellose Sitzbank mit Originalbezug - eine solche Gelegenheit darf man sich nicht entgehen lassen. Beim Kauf sah die Maschine nicht so schön aus. Der Chrom hatte Flugrost angesetzt, das Motorrad war unglaublich verschmutzt, Motorfest (KW-Bleistopfen rausgefallen), Bremsen fest, keine Schlüssel vorhanden. Nach einem MonatArbeit war die Maschine wieder topfit.

„Die Motorräder in Deutschland werden immer älter“ und „Gute Noten für Motorräder beim TÜV“, so ist es immer wieder aus den Medien zu entnehmen. Gute Chancen also, einen perfekten Youngtimer zu ergattern? Die Realität ist: Gute Stücke sind rar und haben ihren Preis. Was macht die RD400 für einen Sammler interessant? Einerseits ist es der zunehmende Seltenheitswert originaler Exemplare, andererseits die qualitative Alleinstellung in der RD-Geschichte, die dieses Motorrad auszeichnet. Keine andere Yamaha RD gilt als ähnlich solide gebaut und konstruktiv ausgereift. Schon 1976 gaben viele Händler auf die 400er ein Jahr Garantie ohne Kilometerbegrenzung! Und das bei für damalige

Verhältnisse sensationellen 43 PS, entsprechend einer Literleistung von über 100 PS, und einem Leergewicht unter 160 kg. Sechs Gänge machten den Fahrspaß komplett. Herz, was begehrst Du! Die 400er ist die letzte Vertreterin der „alten“ RD: Luftkühlung, Chrom statt Plastik, „englische“ Sitzhaltung. Die Zeitschrift „Das Motorrad“ brachte es im ersten Testbericht in Heft 11/1976 auf den Punkt: Titel „Für Genießer“, und „•vibrationsfreier Motorlauf, viel Power und ein problemloses Fahrwerk“. Grund genug, sich mit der „Lady aus Fernost“ näher zu befassen.

Ja, es gab sie auch in Gelb, die RD 400.

Und Yamaha gewährte 12 Monate Garantie bei unbegrenzter Kilometerleistung.

Mit Gelassenheit zum Ziel

Eine intensive Recherche vor dem Kauf erspart hinterher viel Ärger. Die Devise lautet: Stöbern, schmökern, recherchieren – im Internet, in alten Zeitschriften, Prospekten, Ersatzteil-Katalogen, Kundendienst-Literatur und in Sachbüchern. Internet-Märkte wie Moto-Scout, Mobile und ebay vermitteln ein erstes Gefühl für Angebote und Preise. Mit ein paar Teilepreisen im Kopf wird man einen Gebrauchtkauf mit anderen Augen angehen. Der beste Einstieg in die komplexe Thematik führt über einen Experten des Vertrauens, der sein Lehrgeld schon bezahlt hat. So jemanden beim Gebrauchtkauf dabei zu haben, verringert das Risiko erheblich. Ausschalten lässt es sich nicht.

Auf den ersten Blick

Vorsicht ist geboten bei Angeboten wie: „Yamaha RD, neu aufgebaut, Motor in Fachwerkstatt überholt“. Sobald eines Schraubers Hand sich an einer RD vergriffen hat, ist Gefahr im Verzug. Dabei werden die meisten bereits beim Zerlegen ruiniert. Selbst spottbillige Maschinen können sich als fataler Fehlkauf entpuppen, wenn teure Teile fehlen oder beschädigt sind. Die resultierende Teilerechnung fällt oft höher aus als der Preis für ein komplettes Originalmotorrad im Zustand 2 oder besser.

Grundsätzlich gilt:

1. Rahmen, Motor, Vergaser und Auspuff müssen zusammen gehören, zu erkennen an den werksseitig angebrachten Kennziffern.
2. Dekor, Tank, Sitzbank, Beleuchtung und alle anderen Bauteile sollten ebenfalls mit Typ und Baujahr korrespondieren.
3. Nicht mehr erhältliche Teile müssen vorhanden und in guter Verfassung sein. Dies sind u.a.: Gabelstandrohre, Auspuffanlage, Chrom-Kotflügel, Sitzbankträger sowie der Tank und die anderen Lackteile.

Diese 2R9 wurde 2003 mit Elektrikschaden ersteigert. Bei der Abholung stand sie in einer Garagenecke unter einem Haufen Gerümpel und Autoreifen, Reifen platt, Bremsen fest - aber komplett. Der E-Schaden war Sabotage, jemand hatte den Killschalter überbrückt. Nach gründlicher Durchsicht lief die Maschinezuverlässig und sparsam, auch auf Urlaubsreisen mit Gepäck, bis sie an die Motorpresse zwecks Fotoaufnahmen anlässlich des Yamaha-Jubiläums verliehen wurde. Sie kam zurück mit 500 Kilometer mehr auf dem Tacho, leerem Benzintank,ohne einen Tropfen Öl im Öltank und klapperndem Motor.


Selten findet man ein derart konsequentes Baukastensystem wie bei der Yamaha RD. Beginnend mit Einführung der Modelle DS7 und R5 mit ihren horizontal geteilten Motorgehäusen im Jahr 1970 reicht die (meist nur scheinbare) Kompatibilität von Bauteilen bis in die letzte RD-Serie in den frühen Neunzigern. Ein Paradies für Bastler, Murkser und Betrüger. Die Typologie hilft, Originale von Fälschungen zu unterscheiden, da Yamaha alle Bauteile ab Werk mit Signaturen versehen hat. So lässt sich relativ leicht herausfinden, ob Motor, Vergaser und Auspuff zusammen gehören. Motor- und Fahrgestellnummer sind ab Werk identisch und beginnen bei der 400er mit 1A3. Die folgenden drei Ziffern

geben Aufschluss über das Produktionsjahr: 1A3-001XXX – Baujahr 1976 (RD400C), 1A3-100XXX und 1A3-101XXX – Baujahr 1977 (RD400D), 1A3-110XXX – Baujahr 1978 (RD400E) und 1A3-333XXX Baujahr 1979 (RD400F). Jetzt wird es aber schon ein wenig verwirrend, denn in den beiden letzten Produktionsjahren hießen die 1A3 nun Typ 2R9 und hatten erstmals eine elektronische Zündung. Zur

1A3 von 1976 und 1977 gehören Auspufftöpfe mit der Kennung 1A1-14710 links und 1A1-14720 rechts. Für 1978 und 1979 lautet die Gravur statt 1A1 entsprechend 2R9. Mit einer Lupe erkennt man auch die Vergaserkennung: für die ersten beiden Produktionsjahre 1A3-00, für die beiden letzten 2R9-00. Die Zylinder sind ebenfalls gekennzeichnet. 1976/77 mit 398cc, 1978/79 mit 2R9 398cc. Zahl und Anordnung der Kühlrippen verraten dem Experten schon auf den ersten Blick, ob die Zylinder echt sind oder optisch auf 250 ccm getrimmt wurden

(RD400: drei lange Rippen über dem Membrangehäuse; RD250 deren zwei).

Werksseitig wurden aber auch viele Komponenten vorheriger Modelle mit alten Prägungen und Gussnummern beibehalten oder modellübergreifende Bezeichnungen gewählt, z.B. 1A0 für die Kupplung. Im Zweifel gibt der Teilekatalog Auskunft. Die ersten Stellen im Katalog sind identisch mit den Teilekennungen.Die geriffelten Yamaha-Motornummern ab 1972 sind ziemlich fälschungssicher. Die Rahmennummern wurden standgenau maschinell geprägt.

„Tanzen“ die Ziffern, ist die Nummer gefälscht oder der Rahmen irgendwann „erneuert“ worden.

Die „Klassiker“ der Mängelliste

Wo hinterlassen Schrauberhände gewöhnlich bleibende „Eindrücke“? Das kleine Horrorkabinett soll sensibilisieren, sich für die Begutachtung Zeit zu nehmen. Unerlässlich ist die Demontage des linken Motordeckels. Hier folgen meist die ersten Überraschungen: Schalthebelklemmung überdehnt, Schaltwellenlagerung ausgeschlagen, Feinverzahnung beschädigt, Leerlaufschaltergehäuse gerissen, Polrad vermackt, Kupplungsdruckstange eingelaufen, Schäden am Gehäuse durch lose oder gerissene Antriebskette.Ich nenne sie RD-Hirnies, andere bezeichnen sie als Dummschrauber. Ein Polrad kostet ein Vermögen, der richtige Abzieher noch nicht einmal 10 Euro. Das Polrad muss doch runter gehen, mit Klauenabzieher, Brecheisen, und wenn nichts mehr hilft, mit dem Hammer. Ein Motorrad

mit einem solchen Polrad kauft man nicht.Die schlecht zugängliche Unterseite der Ansaugstutzen ist besonders rissgefährtet, weil die Befestigungsschellen in der Regel viel zu fest angezogen werden. Ein Riss verursacht Kolbenschäden. Es lohnt sich., die Ansaugstutzen grundsätzlich zu erneuern, um noch teureren

Motorschäden vorzubeugen.

Nach einem Motorschaden wollte der Vorbesitzer eigentlich "alles neu machen". Dazu kam es nicht. Auf dem Garagenboden zerstreut überdauerten die öligen Fragmente fast 20 Jahre. Eine zweite Maschine stand im Garten -

rostig, vergammelt, aber komplett.

Im Doppelpack bei ebay ersteigert als"komplett und gut erhalten".

Trotzdem nicht bereut. So etwas ist immer noch besser, als wenn "alles neu gemacht wurde". Wenn schon, dann wenigstens ehrlicher Schrott!

Der Aufwand für eine sorgfältige Restaurierung sollte nicht unterschätzt werden. Das hier wurde alles von Hand geschliffen und werkgetreu mit Einschicht-Metallschutzlack spritzlackiert.

Es ist schon ein Privileg, wenn man in der guten Stube in aller Seelenruhe schrauben kann. Die 400er verbrachte Monate bis zur Fertigstellung an dem gemütlichen und vor allem trockenen und warmen Platz.

So ein Motorrad gehört anschließend zur Familie.

Hier präsentiert sich die 400er im seltenen Gelb, ein kompletter Lacksatz in Silber liegt auf dem Speicher, und in Weiß mit rot abgesetzten Felgen

ist der Lacksatz in Vorbereitung.

Dieser zeitgenössische Umbauentstand 1976 in Frankfurt. DerErstbesitzer rüstete die Maschine mit Teilen der TZ Production Racer zu einem edlen Caferacer auf und ließ alle Änderungen eintragen. Gefahren hat er die Maschine kaum. Sie wurde schließlich abgemeldet, verkauft und durchgereicht. DieZwischenbesitzer plündertendie Racingteile,verbautenSchrott und reichten die Maschine durch. Trotzdem lohnte sich der Gebrauchtkauf wegen der Papierform: Zeitgenössischer Umbau aus erster Hand mit Originalbrief, allen Eintragungenund nur 1200 km auf dem Tacho. Nach ihrer Wiedergeburt im Jahr 2006 läuft die Maschine als Oldtimer auf dem 07er Dauerkennzeichen. Ein besonderer Dank geht an Rolf Männl in Mannheim, der den schönen Alutank beisteuerte, baugleich jenem, mit dem das Motorrad 1976 versehen worden war.

Keine Wunder erwarten

Was den Allgemeinzustand anbelangt, sollte man sich nicht blenden lassen und auch keine Illusionen haben. Jahrzehnte können nicht spurlos an

einem Motorrad vorüber gegangen sein. Selbst wenn vieles noch einen durchaus passablen Eindruck macht, sind Alterung und Materialermüdung unvermeidbar und normal. Während poröse oder rissige Ansauggummis „nur“ Kolbenschäden verursachen, stellen alte Bremsleitungen und –beläge ein ernstes

Sicherheitsrisiko dar. Die alten Reifen haben oft noch genügend Profil, dafür aber kaum noch Haftung. Rostige Steuerkopf- und Schwingenlager sind keine Seltenheit. Kurzum: Kaufen und losfahren wäre in den meisten Fällen fatal. Das Beste ist, die Neuerwerbung erst einmal gründlich zu putzen und dabei jedes einzelne zugängliche Teil zu inspizieren. Dazu gehört auch, den Tank herunterzunehmen, den Lampentopf zu öffnen und den rechten Seitendeckel abzunehmen, um die Elektrik mit allen Steckverbindungen zu überprüfen. Insbesondere die von der Lima kommenden drei weißen Leitungen sind am Steckverbinder gerne verschmort. Das zerstört die Lima-Wicklungen. Die

Reparatur kostet um die 200,- Euro! Man wird nicht umhin kommen, Gummi- und Plastikteile zu erneuern, insbesondere in den Ansaugwegen, und sich intensiv mit der Bremsanlage zu befassen.Welcher Kaufpreis ist nun für welchen Zustand angemessen? Laut „Oldtimer Markt“ Nr.5/2005 kostete eine RD400 Note 1 schon damals 2900,- Euro, Note 2 € 1900,-, Note 3 € 1200,-, Note 4 € 500,- und Note 5 € 200,-.

Die RD-Baureihe bevölkerte einst die Straßen. Mittlerweile sind die Zweitakt-Renner nur noch selten anzutreffen. Gut erhaltene Originalexemplare bilden dabei die Ausnahme. Es ist an der Zeit, wenigstens ein paar gute zu bewahren.

Copyright Heiner Jakob

Ein Klassiker der Mängelliste: Polrad, mit dem Klauenabzieher statt korrekt mit dem Zentralabzieher M27 x 1 Linksgewinde abgewürgt. Ein solchesPolrad ist verzogen, unwuchtig und zerstört die Kurbelwelle.

Drehmomentschlüssel ist für viele ein Fremdwort. Bläst der Auspuff ab, weil die Dichtung defekt ist, werden erst einmal die Befestigungsmuttern angeknallt - mit teuren Folgen!

Auch ein Klassiker: Überdehnte Schraubverbindungen. Gewaltig ist des Schlossers Kraft, wenn er mit einem Hebel schafft. Ab in die Schrottkiste, hier gibt es nichts zu reparieren.

Diese Felgen sind nicht zu retten. Leider gibt es auf dem Schrottplatz für Alu nicht so viel, dass man neue Felgen kaufen könnte - es gibt keine, und die gebrauchten sehen oft auch nicht besser aus.

Ist der Sitzbankbezug gerissen, dringt Wasser ein, und das Chassis rostet durch. Risse im hinteren Bereich entstehen, wenn zum Aufbocken der verchromte Soziushaltebügel missbraucht wird. Leider besteht das Chassis nur aus dünnem Blech und ist fast immer beschädigt. Der Restaurierungsaufwand für ein defektes Sitzbankchassis sollte nicht unterschätzt werden. Das macht viel Arbeit und erfordert das Geschick eines Karosseriespenglers.

Die Ansauggummis härten im Laufe der Jahre aus und müssen regelmäßig erneuert werden. Die Teile sind bei Yamaha nach wie vor erhältlich, kosten aber ein Vermögen. Es lohnt sich als in diesem Fall, im Zubehörhandel zu suchen, zum Beispiel bei Yambits in U.K.: http://www.yambits.com/

Der Pfeil im oberen Bild deutet auf die Trennfuge des Motorgehäuses. Das Gehäuseoberteil steht hinten einige Millimeter über. Sind an der über stehenden FlächeSpuren von Gewalteinwirkung vorhanden,wurde der Motor von einem Dummschrauber bzw. RD-Hirnie unsachgemäß geöffnet. Schlimmstenfalls ist das Motorgehäuse schrottreif. Vertrauen in den Vorbesitzer ist hier fehl am Platze.

Hier wurde so lange mit der Brechstange gewürgt, bis das Ober- und Unterteil verbindende Blech zerbrochen ist. Leider ein Klassiker und der Beleg, dass die meisten alten Motorräder kaputtgeschraubt wurden statt an natürlichem Verschleiß zu enden.

Die Glassicherungen sind ein Ärgernis an allen RD-Modellen.

Der Sicherungskasten präsentiert sich meistens in einem mehr oder weniger desolaten Zustand. Selbst intakt aussehende Sicherungskästen sind oft Ursache rätselhafter Elektrikprobleme. Abhilfe schaffen nur moderne Flachsicherungen. Neue Originalteile sind mit etwas Glück auch noch zu bekommen.