Tank innen entrosten

Unser Hobby ist im Grunde ein ständiger Kampf gegen die Vergänglichkeit. Wirklich gewinnen können wir ihn nicht. Unsere Siege bewirken nur einen Aufschub. Für die Zeit, die wir überschauen können, wollen wir den Zahn der Zeit überlisten, Korrosion und Materialermüdung Einhalt gebieten. „Achte auf Dinge, die Du nicht sehen kannst“ bemerkte schon Konfuzius. Man könnte meinen, er hätte alte Fahrzeuge restauriert. Rost in Hohlräumen plagt nicht nur die Autofraktion. Auch Motorräder sind davon betroffen. Wir befassen uns heute nicht mit Rost in Rahmenrohren. Das ist eine andere Geschichte. Es geht um das Thema Rost im Tank.

Ausnahmsweise kommt jetzt nicht der Vorschlag, den Tank mit Split oder Spaxschrauben zu füllen und an der Betonmischmaschine zu befestigen oder in die Waschmaschinentrommel zu legen. Manche der sogenannten Geheimtipps halten sich angesichts ihrer Wirkungslosigkeit derart hartnäckig, dass man sich verwundert die Augen reiben muss. Das funktioniert nach dem Motto: Wahrheit ist unerforschtes Terrain• Das gleiche trifft auf den lebensgefährlichen Unsinn zu, Tanks mit Hilfe von Druckluft auszubeulen. Wer in Physik nicht gepennt hat, sollte wissen, dass es nicht funktionieren kann. Allenfalls zerreißt es den Tank, und dann zerfetzt es auch die Bauchdecke des ahnungslosen Bastlers. In aller Regel überlebt man so etwas nicht. Blech lässt sich hydraulisch in Formen pressen, nicht pneumatisch. Dies nur nebenbei.

Tanks lassen sich nicht aus einem Stück herstellen. Sie bestehen meistens aus drei miteinander verschweißten, mitunter auch verlöteten Teilen. Es handelt sich dabei um den Unterbau, den Tunnel, sowie eine linke und rechte obere Hälfte. Bei Youngtimern war es lange üblich, Ober- und Unterteil mit Rollschweißung zu verbinden – herstellungstechnisch ein vorteilhaftes Verfahren, leider aber auch ein programmiertes Rostnest. Alle so gefertigten Tanks werden an der Rollnaht sterben, alle. Aber man kann die Korrosion aufhalten, wenn man früh genug einschreitet.

Rost im Tank entsteht hauptsächlich durch Kondenswasser bzw. durch angesaugtes Regenwasser, das am Tankverschluss oder über die Tanklüftung eindringen kann. Das Wasser ist schwerer als Benzin und sammelt sich daher immer an der tiefsten Stelle. Bei vielen Tanks ist das die erwähnte Schweißnaht. Noch Fragen? Der Ratschlag, Motorräder nur mit prallvoll gefüllten Tanks einzulagern, um dem Rost zu begegnen, entpuppt sich angesichts dieser Gegebenheiten als Unsinn. Wer ein Motorrad einlagert, sollte den Tank restlos entleeren und innen mit einem wirkungsvollen Korrosionsschutzöl einsprühen. Bewährt hat sich dafür mit der Hohlraumpistole zerstäubtes Atlantik Radglanz – ein altes, seit Jahrzehnten bewährtes Fahrradpflegemittel.

Man kommt nicht umhin, Tanks ein Mal im Jahr restlos zu entleeren, zu reinigen und zu kontrollieren. „Achte auf Dinge, die Du nicht sehen kannst“: Um das Innere eines Tanks zu inspizieren, braucht man ein flexibles Endoskop. Es ist eine Anschaffung, die sich lohnt. Brauchbare Geräte gibt es ab 300,- Euro. Ein durchgerosteter Tank ist teurer – sofern überhaupt noch zu bekommen. Nur so erkennt man Rostblüten in versteckten Ecken und Winkeln rechtzeitig und kann etwas dagegen unternehmen.

Rost im Tank – das bringt auf Dauer jede Menge Ärger und Folgeschäden. Selbst Benzinfilter halten die braune Pest nicht auf, abgesehen davon, dass sie selbst verstopfen und damit den Kraftstofffluss hemmen, mit den allseits bekannten und ebenso oft ignorierten Folgen in Form verstopfter Vergaserdüsen, resultierender Gemischabmagerung und fataler Kolben- und Motorschäden. Rost hat im Tank nichts zu suchen. Er muss raus, und zwar für immer. Nur wie?

Warum Restaurierer versuchen, Tanks innen mechanisch zu entrosten, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Kein Galvaniseur käme auf die Idee, korrodierte Teile mechanisch zu behandeln, es sei denn, um die Oberfläche zu glätten. Zum Entrosten gibt es hochwirksame Säurebäder, die dem Rost in Minuten porentief und bis in die letzte Ritze den Garaus machen. Es gibt keinen Grund, diese Technik nicht für die Tanksanierung anzuwenden außer, dass der Umgang mit Säuren Gefahren birgt.

Der Tanklackierung schadet Salzsäure erfahrungsgemäß nicht. Spritzer sollte man gleich mit Wasser abspülen. Später gehen die Flecken zwar auch noch weg, aber esbedeutet unnötigen Aufwand.

Das Einatmen von Säuredämpfen schädigt die Atemwege dauerhaft. Säure führt zu Verätzungen der Haut und kann das Augenlicht kosten. Säuredämpfe greifen außerdem Metallgegenstände an. Es gilt daher, eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen zu treffen und größte Umsicht walten zu lassen. Eine geschlossene Schutzbrille und Gummihandschuhe sind die Mindestausstattung. Niemals darf man in geschlossenen Räumen mit Säure hantieren.

Hier eine Liste der benötigten Utensilien

Aus der Apotheke:
Einmalspritze mit mindestens 100 ml(besser: Hazet Bremsenentlüfter)
Salzsäure 33 Prozent
Gummihandschuhe

Aus dem Baumarkt:
Schutzbrille
Gummischürze
Maurerbütte 60 Liter
Trichter
Destilliertes oder vollentsalztes Wasser

Außerdem:
10 Liter Motorradreiniger von Polooder Louis
Bremsenreiniger oder Aceton zum Entfetten
Heißluftföhn
Bohrölemulsion
Flachstahlstücke zum Abdichten der Benzinhahnanschlüsse
Holz- oder Korkstopfen oder alter Tankdeckel zum Verschließen der Tankeinfüllöffnung

Vor dem Entrosten muss der Tank innen gereinigt und entfettet werden. Bewährt hat sich hierfür der normale Motorradreiniger von Polo oder Louis, den es im 10-Liter-Kunststoffkanister für rund 20,- Euro zu kaufen gibt – also nicht der teure Gel-Reiniger. Die Benzinhahnöffnung wird mit einem passendem Stück Flachstahl abgedichtet und die Tanköffnung mit einem Korken, Holzpfropfen oder einem altem Tankdeckel verschlossen.

Und so funktioniert das Reinigen und Entfetten:
Etwa 2 Liter Motorradreiniger einfüllen und mehrere Tage wirken lassen.
Tank ab und zu schwenken und in unterschiedlichen Positionen lagern, damit der Reiniger alle Innenflächen benetzt.
Reiniger restlos aus dem Tank entfernen. Ausschütten funktioniert nicht. Beim Absaugen hilft eine größere Einmalspritze aus der Apotheke oder ein mit Druckluft betriebener Vakuum Bremsenentlüfter, z.B. von Hazet (ca. 60 Euro).
Mit klarem Wasser nachspülen

Entrosten:
Handschuhe, Schutzbrille, Gummischürze anlegen und 2 bis drei Liter Salzsäure in den Tank geben. Nur im freien arbeiten. Dämpfe nicht einatmen! Die verätzen die Atemwege. Tank immer wieder schwenken. Nach spätestens 15 Minuten ist der Tank innen blitzeblank. Säure in eine bereit gestellte Mörtelbütte ausleeren, Reste mit der Spritze absaugen und Tank sofort mit destilliertem oder zumindest vollentsalztem Wasser gründlich ausspülen. Zum Neutralisieren etwas Handgeschirrspülmittel hinzufügen. Kein Leitungswasser verwenden, Das ist zu aggressiv. Damit der Tank nicht sofort wieder Flugrost ansetzt, etwas Bohrölemulsion einfüllen, die man sich vorher in einem Maschinenbaubetrieb besorgt hat. Schleifer, Fräser und Dreher verwenden diese Mischung aus Wasser und Öl als Schneidmittel. Damit die Maschinen und die Werkstücke nicht rosten, enthalten die Emulsionen hoch wirksame Korrosionsschutzmittel, die und hier bei der Tanksanierung gute Dienste erweisen. Nun das Bohröl absaugen und den Tank an einem warmen Ort austrocknen lassen.

Einen hervorragenden Korrosionsschutz bietet das altbewährte Atlantic Radglanz. Man füllt etwa 0,2 Liter davon in den Tank, schwenkt ihn damit aus, sodass alle Innenflächen benetzt werden, und verschließt den Tank. So kann man ihn jahrelang lagern, und er ist sicher vor Innenrost geschützt. Vor der Wiederinbetriebnahme muss man das Radglanz absaugen. Das geht am besten mit dem erwähnten pneumatischen Bremsenentlüfter von Hazet. Letzte Reste tupft man mit einem an einem Stück Schweißdraht befestigten fusselfreien Lappen aus.Das abgesaugte Radglanz lässt sich als Pflegemittel weiter verwenden.

Was hat Restaurieren mit Mathematik zu tun? Man muss immer mit dem Schlimmsten rechnen• Und schlimmstenfalls entpuppt sich unser frisch entrosteter Tank nun als Sieb. Nur Lack und Rost hinderten vorher den Sprit am Auslaufen.

Was tun bei Durchrostungen? Minimale, punktförmige Durchrostungen lassen sich bedingt mit Hartlötung beseitigen. Am besten geeignet ist das leicht fließende und angenehm zu verarbeitende Silberlot. Diese punktförmigen Durchrostungen sind aber ein Indikator dafür, dass der Tank bereits erheblich rostgeschädigt ist und die Blechdicke auf ein gefährlich geringes Maß abgenommen hat. Erfahrungsgemäß entstehen beim Verlöten immer wieder neue Lecks. Es wird zu einer unendlichen Geschichte, und am Ende bleibt die Erkenntnis, dass der Tank zwar noch wie ein Tank aussieht, aber keiner mehr ist, weil das Transportieren hochbrennbarer, explosiver Flüssigkeiten in halbverrosteten Behältern nicht nur das eigene Leben sondern auch das anderer Verkehrsteilnehmer bei einem Aufprall gefährden würde. Bittere Erkenntnis: Für das Museum in Ordnung, zum Fahren unverantwortlich.

Die Anbieter von Tankversiegelungen werben u.a. damit, dass die Innenbeschichtung kleinere Lecks abdichtet. Natürlich bekommt man einen perforierten Tank auch durch großflächiges Verzinnen mit Weichlot dicht. Ob so etwas in Frage kommt, muss jeder mit seinem Gewissen vereinbaren und ist abhängig vom Einsatzzweck des Motorrads. Das Aufkleben von Glasmatten mit Polyesterharz oder das Flicken undichter Stellen mit Knetharz oder gar Spachtelmasse ist purer Pfusch und verbietet sich kategorisch. Ein Tank sollte voll gefüllt einen freien Fall aus neun Metern Höhe auf einen Betonboden überstehen können ohne zu bersten. Das ist die Messlatte für alles, was wir mit unseren Spritbehältern anstellen und sollte uns zur Vorsicht mahnen.

Die Reparatur schwerer Durchrostungen übersteigt die Möglichkeiten der weitaus meisten Restaurierer und ist ein Fall für den Feinblechner. Letztlich muss die Tankhaut partiell nachgefertigt und auf diese Weise geflickt werden. Der Begriff ist bewusst gewählt, denn um nichts anderes handelt es sich dabei. Bei einer fachmännischen Ausführung ist gegen eine solche Reparaturmethode nichts einzuwenden. Schließlich bestehen auch neue Tanks aus mehreren Blechteilen, die miteinander verschweißt und verlötet werden. Im Fachbetrieb erfolgt abschließend eine Druckprüfung, und ein solcherart reparierter Tank kann bedenkenlos im normalen Fahrbetrieb benutzt werden.

Thema Beulen im Tank: Hartnäckig hält sich der „Geheimtipp“, dass sich Beulen mit Druckluft entfernen lassen. Erstens geht es schon rein physikalisch nicht, und zweitens ist schon der Versuch lebensgefährlich. Käme man mit dem Druck auch nur annähernd in wirksame Bereiche, würde der Tank bersten. Eine solche Explosion überlebt man nicht, weil es den menschlichen Körper gleich mit in Stücke reißt. Wer möchte schon, dass die eigene Milz am Dachfirst klebt! Finger weg von diesem immer noch verbreiteten gefährlichen Unfug. Ausbeulen ginge allenfalls hydraulisch - theoretisch - und auch nur in einer genau passenden Negativform. In der Praxis geht man zum Beulendoktor. Selber Machen läuft in der Regel auf einen neuen Tank hinaus, es sei denn, man ist ein gewiefter Karrosseriespengler und verfügt über die nötigen Werkzeuge und Vorrichtungen. Der Beulendoktor entfernt kleine Dellen mit Drückeisen, größere mitZugadaptern und Gleithammer. In schweren Fällen führt mitunter kein Weg daran vorbei, die Schadstelle heraus zu trennen und zu ersetzen. Rost- und beulenfreie Tanks sind rar. Wann immer möglich, sollte man einen verbeulten Tank retten und sich einen zur Reserve ins Regal legen.

Hat man mit Geschick und viel Glück nun endlich seinen rost- und beulenfreien Tank, stellt sich zwangsläufig die Frage nach einem dauerhaften Korrosionsschutz.

Wer sich die Mühe macht und seinen Tank regelmäßig inspiziert und pflegt, kann durchaus auf eine Innenbeschichtung verzichten. Bei längeren Standzeiten muss dann der Sprit komplett raus und ein Korrosionsschutzmittel eingesprüht werden.

Auf Dauer wirkungsvoll und praktisch ohne Nachteile bietet sich das chemische Innenvernickeln an. Leider ist das Verfahren teuer, ist aber das beste, was man einem Tank angedeihen lassen kann.

Die Innenbeschichtung mit Speziallack will wohl überlegt sein. Den Lack bekommt man praktisch nie wieder heraus. Langzeiterfahrungen gibt es kaum, und die lebenslange Garantie gilt nur für den Fall, dass der Tank nie eine Delle abbekommt• Wer die Prozedur des Entrostens hinter sich gebracht hat und weiß, wie schwierig es ist, einen Tank innen restlos trocken zu bekommen, dem werden Zweifel beschleichen, ob bei den Innenbeschichtungen mit Farbe Theorie und Praxis überhaupt zusammen finden können. „Achte auf Dinge, die Du nicht sehen kannst.“ Keiner kann sehen, was sich unter der wunderschönen Innenfarbe in den Ritzen und Winkeln der Tankkonstruktion im Laufe der Jahre abspielt. Zweifel sind angebracht, ob die Innenfarbe blasen- und lunkerfrei aufzubringen ist, wo doch schon das Lackieren einer ebenen Fläche die meisten vor eine unlösbare Aufgabe stellt. Eine gesunde Portion Skepsis ist hier angebracht. Sicher wird ein Routinier, der sich professionell mit Tanksanierungen befasst, ein besseres Ergebnis erzielen, als der Restaurierer, der sich für die Tankversiegelungs ein Komplettset kauft. Auch werden den Hobbyverbrauchern nicht die hochwirksamen Substanzen verkauft, die der professionelle Betrieb anwendet. Die hier beschriebene Entrostung mit Salzsäure ist somit kein Verfahren, dass als Set über den Ladentisch verkauft werden dürfte. Handelsfähig sind nur relativ harmlose Substanzen wie mildere Säuren und Laugen, und es ist kein Wunder, dass die erzielbaren Ergebnisse professionellen Anforderungen nicht genügen können.

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