"Ich fahre das billigste Baumarktöl. Es ist mit Sicherheit hundert Mal besser als alle Öle, die es zu kaufen gab, als mein Motor konstruiert wurde." So oder ähnlich argumentieren viele Besitzer von Youngtimern und Oldtimern. Andere kaufen nur das teuerste Öl, weil sie nichts falsch machen wollen und ihnen für ihr altes Kfz das Beste gerade gut genug erscheint. Hinter solchen Entscheidungen steht Unsicherheit aus Informationsmangel. Zu undurchsichtig die Angaben auf den Ölgebinden, die Werbeaussagen technisch nichtssagend, die Informationspolitik der Schmierstoffhersteller vage. Während sich die Deklaration von Inhaltsstoffen insgesamt verbessert hat, herrscht auf dem Schmierstoffsektor für den Endkunden wenig Transparenz.
Neben der Schmierfähigkeit und der Ableitung von Reibungswärme bestimmen heute zunehmend Umweltaspekte die Schmierstoffentwicklung. Moderne Öle müssen Alleskönner sein: dünnflüssig beim Kaltstart, schmierfähig auch bei hohen Temperaturen und Drücken, dabei leicht laufen, dürfen nicht verdampfen und schäumen, sie sollen Kolbenringe abdichten, vor Korrosion schützen, den Motor von innen kühlen, aggressive Verbrennungsprodukte und Kondensat neutralisieren, Abrieb und Schmutzpartikel zur Filterpatrone transportieren, sollen lange Ölwechselintervalle ertragen, Notlaufeigenschaften aufweisen, wenig umweltschädliche Stoffe freisetzen, für Katalysatoren- und Partikelfilter geeignet und letztlich bezahlbar sein. Darüber hinaus verlangen manche Kfz-Hersteller teure Spezialöle. Der Schmierstoff ist hier derart eng mit der Konstruktion verzahnt, dass alle Garantie und Gewährleistungsansprüche verfallen, wenn etwas anderes eingefüllt wird.
Dass man einen alten Motor ohne Filterpatrone im Hauptstrom mit einem modernen Motorenöl ruiniert, weil die enthaltenen Detergentien abrassive Ablagerungen lösen, die so an die Schmierstellen gelangen und feine Ölbohrungen verstopfen, ist hinlänglich bekannt. Dass Ölqualitäten nach Spezifikationen der 1920er und 1930er Jahre heute noch für kleines Geld als Maschinenöle erhältlich sind, eher weniger. Spannend wird es bei der Frage, ob eine Norton Manx mit einem Super-Leichtlauföl noch einen Tick schneller rennt. Tut sie nur vielleicht, und garantiert nicht lange! Warum das so ist? Lesen sie einfach weiter. Das Thema ist spannend wie ein Krimi, und am Stammtisch und über Internet-Foren haben sie bestimmt schon vieles über Motorenöle gelernt...
Entscheidungsnotstand im Informationsvakuum
Der Fehlgriff im Ölregal kann fatale Folgen haben. Andererseits bieten heutige Schmierstoffe gegenüber früheren bei zweckentsprechender Auswahl auch in alten Kfz nur Vorteile. Ausgangsbasis für die Auswahl sind heute meist nicht mehr gebräuchliche Spezifikationen, die der Kfz-Hersteller ursprünglich verlangte, ferner die Analyse der konstruktiven Merkmale. Handelt es sich um einen Gleitlagermotor oder um einen Wälzlagermotor? Werden Motor und Getriebe gemeinsam oder getrennt versorgt? Hält ein regelmäßig zu wechselnder Hauptstromölfilter den Motor innen sauber? Ferner ist es von grundlegender Bedeutung, ob ein Motor ungeöffnet überlebt hat und so weiter betrieben werden soll, oder ob er von Grund auf überholt wurde und dabei alle ölführenden Teile penibel gereinigt wurden. Ob ein Schmierstoff mineralisch, teilsynthetisch oder vollsynthetisch ist, spielt zunächst eine untergeordnete Rolle. Jeder Schmierstoff ist nach seinen spezifischen Eigenschaften und enthaltenen Additiven zu wählen und weniger danach, ob er synthetisch oder konventionell gewonnen wurde. Entscheidend ist, ob die Schmierstoffeigenschaften den Kfz-Herstellervorgaben bzw. den konstruktiven Gegebenheiten und dem Einsatzzweck entsprechen.
Genau hier liegt der Hund begraben. Als unsere Youngtimer und Oldtimer konzipiert wurden und kluge Köpfe die Wartungs- und Reparaturvorschriften verfassten, gab es die modernen Schmierstoffe nicht. Im Zweifel half man sich mit 50er Einbereichsöl. Es wäre geradezu ein Frevel, sich heute sklavisch an die veralteten Herstellervorschriften zu halten. Oft wird argumentiert, die alten Motoren würden nicht so hohe Anforderungen an die Schmierung stellen wie moderne Triebwerke. Wer das glaubt, sollte zum Beispiel die Breite eines Nockens und seiner Gleitpartner in einem Oldtimermotor mit einem modernen Motor vergleichen. Ohne zugleich die heutigen ausgeklügelten, Spitzenbelastungen vermeidenden Nockenformen zu berücksichtigen, ist augenfällig, dass die modernen Nocken breiter sind und damit nicht viel Reibung verursachen. Ein weiteres Beispiel, warum gerade alte Motoren robuste Öle brauchen, sind käfiglose Wälzlager, die enorme Ansprüche an die Schmierung stellen und früher immer ein Sorgenkind waren. Kurbelwellen-Durchbiegungen im Millimeterbereich sind in alten, kärglich hauptgelagerten Mehrzylindern keine Seltenheit, mit entsprechenden Kantenpressungen an den Lagern. Ein Geheimnis, warum ehemals zickige Triebwerke mit thermischen oder mechanischen Macken heute klaglos funktionieren, ist oft auf die Verwendung moderner, auch synthetischer Schmierstoffe, zurück zu führen, die manchen konstruktiven Mangel, Wärmeverzug, Maßabweichungen, ungünstige Laufspiele, Gleitpaarungen und Oberfächenqualitäten kompensieren. Man kann also durchaus die These vertreten, dass gerade ältere Motoren auf hochwertige moderne Schmierstoffe besonders dankbar reagieren.
Kleiner Ausflug in ein schmieriges Terrain
Öle und Fette sind die wichtigsten technischen Schmierstoffe und als Konstruktionselemente eng mit dem Aufbau und der Funktion von Motoren und Getrieben verzahnt. Öle und Fette bilden zwischen Reibungsflächen Schmierfilme. Je nach Art und Qualität der Schmierung trennen Öle und Fette die Gleitpartner mehr oder weniger vollständig voneinander. Reibung, Geräuschentwicklung und Verschleiß werden verringert. Schmierfette schützen Lagerstellen zusätzlich gegen Feuchtigkeit, Schmutz und andere äußere Einflüsse. Sie verbleiben an der Schmierstelle, da sie viskoser (zäher) sind.
Mineralische und synthetische Schmierstoffe sind am meisten gebräuchlich und bekannt, aber auch die von altersher verwendeten biogenen Schmierstoffe aus pflanzlichen Ölen und tierischen Fetten haben nach wie vor ihre Daseinsberechtigung und werden wieder verstärkt erforscht. Der Klassiker unter den Rennölen, das Rizinusöl, ist pflanzlichen Ursprungs und noch heute für kleines Geld in der Apotheke erhältlich, wenn auch nicht mehr für die berüchtigte medizinische Anwendung, die den Älteren unter uns sicher noch in lebhafter Erinnerung ist.
Der Grundstoff für mineralische Schmierstoffe fällt traditionell in Fraktioniertürmen bei der Destillation von Rohöl zusammen mit Benzin, Dieselkraftstoff und anderen Produkten an. Mineralische Grundöle werden heute unter maximal 350° C unter Vakuum gewonnen, danach gefiltert, geklärt und raffiniert. Beim Grundöl handelt es sich um eine Fraktion, also um ein Gemisch unterschiedlicher Kohlenwasserstoffe mit ähnlichem Siedebereich. Lange Zeit waren diese unlegierten Öle bestimmter Viskositäten die einzigen im Kfz verwendeten. Einige Hersteller von Kompressoren und Maschinen schreiben auch heute noch unlegierte Öle vor, so dass auch die Versorgung für sehr alte unrestaurierte Motoren im Oldtimersektor auf absehbare Zeit als gesichert angesehen werden kann. Wurden alte Motoren revidiert, steht jedoch einer Verwendung modernerer Motorenöle nichts im Wege. Bei diesen handelt es sich in der Regel um eine Rezeptur aus mineralischen und synthetischen Grundölen mit einem mehr oder minder ausgeprägten Additivpaket aus Anti-Schaum-Additiven (Antifoamants), Schmutzträgern (Detergent- und Dispersant-Additiven), Hochdruckzusätzen (EP-Additiven), Reibwertverbesserern (Friction Modifiern), Alterungsschutzstoffen, Oxidationsinhibitoren (Antioxidants), Stockpunktverbesserern (Pourpointdepressants) und Viskositätsindexverbesserern (VI-Improvern), um die gebräuchlichsten zu nennen. Das Zauberwort „Synthetiköl“ ist nicht etwa ein Produkt unserer Zeit. In den 1930er und 1940er Jahren brauchte man für die extremen Minustemperaturen an der Ostfront neue Schmierstoffe. Als der Vater aller synthetischen Schmierstoffe gilt Hermann Zorn. Er schuf bei der I.G. Farben in Oppau und später in Leuna die Grundlagen unserer heutigen High-Tech-Öle. Ausgangspunkt waren Versuche mit diversen Additiven und die Synthetisierung mit Äthylen. Als erstes synthetischens Schmieröl schrieb das SS 906 Geschichte. In der Folge entstanden 3500 Ester, darunter Diester und Polyol. Die Synthetisierung revolutionierte die Schmierstofftechnologie. Sie zerlegt Öle in Grundbausteine, die sich als Cocktail weit besser auf spezielle Erfordernisse maßschneidern lassen als konventionelle mineralische Öle. Synthetische Öle haben von Natur aus Mehrbereichscharakter und kommen mit weniger Additiven aus als Mineralöle.
Kennwert ohne Qualitätssiegel: Die Viskosität
Die Society of Automotive Engineers (SAE) definierte bereits im Jahr 1911 die SAE-Viskositätsklassen als gemeinsame, verbindliche Norm für Kfz-Hersteller, Mineralölwirtschaft und Verbraucher, wobei zu beachten ist, dass die SAE-Angaben für Getriebeöle (von 70W bis 250) nicht auf Motorenöle übertragbar sind. Die Viskosität eines SAE 80 Getriebeöls zum Beispiel entspricht einem SAE 30 Motorenöl. Die Viskosität kennzeichnet nur das Fließverhalten und sagt aber nichts über die Qualität aus. Zunächst gab es nur Einbereichsöle, entsprechend lauteten die Bezeichnungen zum Beispiel SAE 50 oder SAE 10W. Das „W“ steht dabei für Winter, kleine Zahlen kennzeichnen dünnflüssige und große Zahlen zähere Öle. Als Ende der 1960er Jahre die Entdeckung der Polymere den Weg für die Entwicklung und Herstellung von Mehrbereichsölen ebnete, fügte man den Bindestrich ein, um die Viskositätsspanne eines Öls zu verdeutlichen, zum Beispiel SAE 10W-30. Ein solches Mehrbereichsöl entspricht bei 0° F (etwa – 18° C) einem Einbereichsöl SAE 10W und bei 210° F (etwa 99° C) einem Einbereichsöl SAE 30. Startete man früher einen mit SAE 30 geschmierten Motor an einem kalten Sommertag, dauerte die Durchölung sehr lange, Kaltstartverschleiß war die Folge. Wechselte man im Winter auf SAE 10W, und die Betriebstemperaturen stiegen, hatte man nur noch eine wasserähnliche Substanz mit entsprechend geringer Schmierkraft und Scherstabilität im Motor
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Mineralisches Mehrbereichsöl contra Scherstabilität
Mineralische Einbereichsöle werden mit steigender Temperatur immer dünner und verlieren dabei an Schmierkraft. Bei Mehrbereichsölen ist es umgekehrt. Sie passen sich den Betriebsbedingungen chamäleonartig an: Ist es kühl, fließt das Öl leicht, geht es im Motor heiß her, strecken sich die Polymere und stabilisieren den Schmierfilm, die Viskosität steigt, das Öl wird zäher. Vereinfacht ausgedrückt, quellen die im mineralischen Mehrbereichsöl in großer Anzahl enthaltenen Polymere mit steigender Öltemperatur auf, erhöhen damit die Reibung zwischen den Teilchen und verleihen dem Schmierstoff eine größere Viskosität bei hohen Temperaturen. Polymere machen damit aus einem Grundöl einer bestimmten Viskosität ein Mehrbereichsöl, zum Beispiel aus einem SAE10 ein SAE10W-30.
Polymere halten Drücken und Scherkräften allerdings nicht unbegrenzt stand. Sie reagieren auf Überlastung eher mimosenhaft. Speziell die in Getrieben und in hoch belasteten Wälzlagern, insbesondere Pleuellagern, entstehenden Scherkräfte und Drücke brechen die Polymere mit der Zeit auf. Durch die punkt- bzw. linienförmigen Belastung in Wälzlagern sowie an den Zahnflanken verliert das Mehrbereichsöl nach und an Viskosität. Aus dem SAE 5W-50 kann unter nicht bestimmungsgemäßen Betriebsbedingungen wieder ein Einbereichsöl SAE 5W werden. Es empfiehlt sich daher, für Wälzlagermotoren und bei gemeinsamer Ölversorgung von Motor und Getriebe nur dafür ausgewiesene, besonders scherstabile Spezialöle und auf keinen Fall Mehrbereichsöle mit kleineren Werten als SAE 10W-XX zu verwenden, weil ein viskoseres Grundöl langzeitstabiler ist.
Die Mineralölfirmen konnten mitunter der Versuchung nicht widerstehen, aus minderwertigen Grundölen mit Hilfe von Polymerzusätzen marktfähige Produkte zu erstellen. In gleitgelagerten PKW-Motoren mit geringen Literleistungen spielte das keine große Rolle. Wer die Brühe in einen schnellen Motorradmotor kippte, riskierte schwerste Motorschäden. In den Wälzlagern und zwischen den Zahnrädern separierten sich unter hohen Betriebstemperaturen die Additive. Sie „geronnen“ regelrecht und verstopften schlimmstenfalls feine Ölbohrungen, vorzugsweise jene, welche das Öl zu dem oder den Pleuellagern führen sollten.
Für Motorradmotoren und für den alten Mini sind entsprechende Spezialöle im Handel. Hochwertige Synthetiköle bieten dabei den Vorteil, dass die Struktur der Moleküle unter extremer Belastung schwerer zu zerstören ist als beim Mineralöl und der Schmierfilm insgesamt als robuster angesehen werden kann. Neben der höheren Druckbelastbarkeit und Alterungsbeständigkeit gewähren sie ein sehr gutes Reinigungsvermögen, was allerdings beim Betrieb in alten Motoren problematisch sein kann. Synthetische Öle glänzen prinzipiell mit einem konstanteren Fließverhalten bei unterschiedlichen Betriebstemperaturen und brauchen daher keine oder weniger VI-Verbesserer.
Bleibt anzumerken, dass mit dem Aufkommen der Mehrbereichsöle und ihren grundsätzlichen Vorteilen die Einbereichsöle bis auf Ausnahmen vom Markt verschwanden. Das gute alte SAE 50 für unsere wälzgelagerten Motorrad-Klassiker ist immer noch zu haben. Ob man es wirklich fahren muss, ist eine andere Frage. Der Oldtimer-Markt floriert, und speziell kleinere Mineralölfirmen bieten zunehmend Sonderschmierstoffe für alte Kfz an. Auch hier gilt es, kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, ob nicht ein preisgünstigeres Standardprodukt genau so gut oder gar besser geeignet ist.
Doch zurück zur Viskosität. Der Viskositätsindex (VI) ist eine rechnerisch ermittelte Zahl und charakterisiert die Viskositätsänderung eines Öls in Abhängigkeit von der Temperatur. Ein hoher Viskositätsindex kennzeichnet eine geringere Änderung der Viskosität mit der Temperatur als ein niedrigerer Viskositätsindex. Ergänzend wäre noch anzumerken, dass sich für einen Youngtimer oder Oldtimer prinzipiell auch moderne Mehrbereichsöle verwenden lassen, die einen größeren als den ursprünglich vorgeschriebenen Viskositätsbereich überdecken, also zum Beispiel ein modernes SAE10W-50 anstelle des 20W-40 laut Handbuch.
Bei den meisten Motorrad-Youngtimern japanischer Bauart und bei einigen europäischen Fabrikaten werden an das Motorenöl weitere, im Prinzip gegensätzliche Anforderungen gestellt. Bei diesen Bauformen versorgt ein gemeinsamer Ölvorrat nicht nur Motor und Getriebe, hier läuft auch die Kupplung im gemeinsamen Ölbad. Reine PKW-Mehrbereichsöle können hier nicht nur Zahnflankenverschleiß verursachen, sie würden auch für Kupplungsrutschen sorgen. 1999 wurde die Spezifikation JASO T 903 (Japanese Automobile Standard Organisation) vorgestellt, die aufbauend auf Anforderungen des API (SE, SF, SG, SH, SJ) oder der ACEA (A1, A2, A3) zusätzliche Eigenschaften für Motorradviertaktöle festlegt. Abhängig vom Reibungsverhalten in der Kupplung erfolgt eine Einstufung nach JASO MA oder JASO MB. JASO MA gibt einen höheren Reibwert als JASO MB vor.
Leichtlauföle mit verminderter Hochtemperatur-Scherviskosität für ältere Motoren tabu
Die High Temperature, High Shear Viscosity, kurz HTHS-Viskosität (Hochtemperatur-Scherviskosität) ist ein Maß für das Verhalten von Schmierölen bei hohen Temperaturen unter Scherung. Zur Messung wird ein zylindrischer Rotationskörper von 8 mm Durchmesser bei 150°C und einer Drehzahl von 3200 U/min in einen ruhenden Stator so eingebracht, dass ein definierter Schmierspalt entsteht. Vereinfacht ausgedrückt, ist das entstehende Drehmoment ein Maß für die HTHS-Viskosität. Die Maßeinheit für die HTHS-Viskosität ist mPa*s. Die meisten heute verwendeten Motorenöle haben üblicherweise eine HTHS-Viskosität 3,5 mPa*s und höher. Einige Hersteller, u.a. VW & Ford, empfehlen jedoch für bestimmte, speziell dafür konstruierte und entwickelte Motoren Öle mit einer HTHS von 2,9 mPa*s. Diese Super-Leichtlauföle bieten noch etwas mehr Kraftstoffeinsparungspotenzial und Kaltstartsicherheit. Da der leichte Lauf mit einer verringerten Hochtemperatur-Scherviskositär erkauft werden muss, dürfen sie ausschließlich in Kfz gefahren werden, deren Hersteller eine entsprechende Freigabe erteilt haben. Auf gar keinen Fall gehören Leichtlauföle in Wälzlagermotoren und in Motoren mit gemeinsamer Ölversorgung von Motor und Getriebe.
Zweitaktöle
Moderne Zweitaktöle eignen sich sowohl für die Getrenntschmierung über Dosierpumpe als auch für die Beimischung zum Kraftstoff (Gemischschmierung). Mit E85-Bioethanolsprit mischen sich die Öle allerdings nicht - mit einer Ausnahme: Castrol XTS Greentec. Es gibt Spezifikationen von API, die sich aber nicht mehr abprüfen lassen, da die Prüfmotoren nicht mehr gebaut werden. API soll durch JASO und ISO ersetzt werden. JASO (Japanese Automotive Standards Organisation) ist eine Spezifikation für einfache Anforderungen vor allem für Kleinfahrzeuge in Asien. Global-Spezifikationen werden von verschieden Gremien (ACEA, EMA, JAMA) gemeinsam erarbeitet und herausgegeben. Sie sind die Basis für ISO-Spezifikationen (International Organization for Standardization). Für höchste Anforderungen in Außenbordmotoren existieren NMMA-Klassen, die jedoch nicht auf Landfahrzeuge übertragbar sind. Es geht hier vielmehr um extrem kalt laufende Motoren und um die Vermeidung von Ablagerungen und Aschebildung unter diesen Betriebsbedingungen. Zweitaktöle unterschiedlicher Herkunft und Klassifizierung sollten nicht vermengt werden. Eine Spezialanwendung sind Zweitaktergetriebe mit Ölbadkupplung. Ursprünglich behalfen sich die Hersteller mit Pkw-Motorenölen, meist API-SE. Heute gibt es dafür ein SAE 10W-30 von Motul, auch in vollsynthetisch.
Rennöle schützen den Motor nicht vor Korrosion, teilweise fördern sie diese sogar. Rennöle verharzen, wenn die Motoren zu lange ruhen. Nach längerer Standzeit findet sich in den Lagern eine nach Farbe und Härte bersteinartige Substanz. Unter mechanischer Gewaltanwendung zerbröselt die Substanz kristallartig. Die alten Rennöle mischen sich schlecht mit Benzinkraftstoff, mit Alkoholkraftstoffen hingegen gut. Das liegt am verwendeten Rizinusöl. Wenn Zweitaktgemisch zu lange im Tank verbleibt, setzt sich das Öl unten ab. Das gleiche passiert in den Schwimmerkammern. Bei Getrenntschmierung dürfte es allerdings weniger Probleme geben.
Wird das Rennöl als Zweitaktgemisch gefahren, verharzen die Benzintanks. Bei Alutanks passiert das weniger ausgeprägt. Stahltanks hingegen bekommt nach nach einiger Zeit nicht mehr sauber. Sie sehen innen aus wie ein Kohlenkeller, und die Schicht ist so hart, dass nicht einmal die chemisch/mechanische Reinigung mit einer Mischung aus Spaxschrauben und Aceton zum Erfolg führt.
Fazit: Rennöle sind kompromisslos auf höchste Schmierfähigkeit gezüchtet und versagen in nahezu allen anderen Disziplinen. Früher wurden Rennmotoren viel häufiger zerlegt als heute. Da spielte das eine untergeordnete Rolle.
Klassifizierungen
Der Buchstabe bzw. die Zahl hinter der Norm (API, ISO, JASO etc.) kennzeichnet den Entwicklungsstand. Das API (American Petroleum Institute) klassifiziert Ottomotorenöle von SA bis derzeit SK. API-CA bis API-CF normt Dieselmotorenöle, API-TA bis API-TD steht für Zweitakteröle. API-TA bedeutet bei Zweitakterölen geringe Belastbarkeit, z.B. in Mofas und Mopeds. API-TC/TD hingegen garantiert die Eignung für Hochleistungsmotoren.
Auch bei API steht der niedrigste letzte Buchstabe für die älteste, der höchste für die jüngste Klassifizierung. Nicht jede aktuellere Klassifizierung bedeutet zugleich mehr Schmierfähigkeit. Oft geht es um ganz andere Eigenschaften, zum Beispiel die Eignung für Dieselpartikelfilter, verlängerte Ölwechselintervalle oder besondere Leichtlaufeigenschaften in speziell dafür konstruierten Motoren. Jede Klasse baut auf der vorherigen auf, die Additive kommen also jeweils hinzu. Zum Beispiel enthält das API-SL auch Wirkstoffe von SA bis SK.
API-SA: Einfaches Motorenöl, eventuell mit Antischaumzusatz und Kaltfließverbesserer
API-SB: Für niedrige Beanspruchung, Wirkstoffe gegen Alterung, Korrosion und Verschleiß
API-SC: Für mittlere Belastung, Wirkstoffe gegen Verkokung
API-SD: Für schwere Belastung, Stand 1968 bis 1971
API-SE: Für sehr hohe Anforderungen, Stand 1971 bis 1972
API-SF: Für höchste Anforderungen, erhöhter Verschleißschutz und größeres Schlammtragevermögen
API-SG: Zusätzlich Schutz gegen Schwarzschlammbildung
API-SH: Zusätzlich Schutz gegen Verdampfungsverlust, erhöhte Hochtemperatur-Scherviskosität (High Temperature, High Shear Viscosity, kurz HTHS-Viskosität)
API-SJ: Nochmals verschärfte Anforderungen gegen Verdampfungsverlust, Stand Oktober 1996
API-SK / SL: Weiterentwicklung von API-SJ
Die ACEA-Spezifikation (Association des Constructeurs Europeens d´Automobiles) ergänzen die API-Klassifikationen entsprechend den europäischen Anforderungen und unterteilen sich nach A für Otto-Motoren, B für kleinvolumige Dieselmotoren, C für PKW-Dieselmotoren mit Partikelfilter und E für LKW-Dieselmotoren.
Hier ist von Bedeutung, dass ACEA A3 und B3 als besonders scherstabile Premium-Motorenöle mit HTHS-Viskosität > 3,5 mPa*s klassifiziert sind, ACEA A5 und B5 hingegen als Super- bzw. Premium-Leichtlauföle mit deutlich abgesenkter Scherstabilität < 3,5 mPa*s zur ausschließlichen Verwendung in speziell dafür entwickelten Motoren.
Öle nach API-Klassifikation sind ausschließlich innerhalb ihrer Kategorie (Otto, Diesel) mischbar, wobei das Gemenge die Qualität des Mischpartners mit der geringeren Qualität annimmt. Biogene und mineralische Öle mischen sich zwar, verlieren aber dabei ihre Schmierfähigkeit. Beim Mischen von Synthetik- mit Mineralölen können Additive wirkungslos werden.
Das ganz große Fragezeichen steht hinter der Glaubwürdigkeit der Spezifikationen und Klassifikationen - ein brisantes Thema, denn Schmierstoffe werden allgemein nicht von einer übergeordneten Institution abgeprüft und klassifiziert. Die normgebenden Stellen spezifizieren lediglich die Qualitäten. Die Hersteller selbst kategorisieren ihre Öle danach ein und stehen dabei nicht unter der Kontrolle einer Behörde oder neutralen Überwachungsorganisation. Testberichte sind lediglich Momentaufnahmen. Wenn namhafte Fahrzeughersteller ein bestimmtes Öl für ihre Produkte freigeben, ist dies ein Indiz, dass zusätzliche Kontrollen erfolgen und man sich nicht nur auf die Angaben des Schmierstoffherstellers verlassen muss. Spätestens hier darf die Frage erlaubt sein, wie glaubwürdig die Angaben auf dem Gebinde eines No-Name-Sonderangebots aus dem Baumarkt sind. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob ein Öl den Angaben auf der Verpackung entspricht, fast noch wichtiger ist es, wie schnell es im Betrieb verschleißt und seine Eigenschaften verliert.
Für die Pinwand
1. Hauptstromgefilterte Gleitlagermotoren ohne eingelagerten Altabrieb sind mit modernen Ölen bestens versorgt. Gebrauchte Motoren sollten nicht auf Öle einer deutlich höheren Klasse umgestellt werden. Bei Super-Leichtlaufölen ist generell Vorsicht geboten.
2. Gleitlagermotoren ohne Austauschfilterpatrone im Hauptstrom dürfen nicht mit Ölen betrieben werden, die Detergentien (Reinigungsadditive) enthalten und damit über Schmutztrageeigenschaften verfügen. Hier sind klassische HD-Mehrbereichsöle (Heavy Duty) die richtige Wahl.
3. Wälzlagermotoren ohne Austauschfilterpatrone im Hauptstrom sind mit detergentfreien mineralischen Einbereichsölen immer noch gut bedient, weil die in Mehrbereichsölen vorhandenen Polymere sich nicht mit hoch belasteten Wälzlagern vertragen. Wenn Mehrbereichsöle gefahren werden sollen, dann darf der untere Wert nicht kleiner sein als SAE10W, auf der sicheren Seite ist man in der warmen Jahreszeit mit einem SAE 20W-40 oder 20W-50.
4. Für sehr alte, ungeöffnete Motoren sind unlegierte Einbereichsöle zu verwenden, die noch als Maschinenöle im spezialisierten Schmierstoffhandel erhältlich sind, z.B. als reines SAE 30.
5. Hochwertige Synthetiköle haben von Natur aus einen robusteren Schmierfilm, einen größeren Viskositätsindex, altern weniger schnell als Mineralöle und teilsynthetische Öle und bieten auch in alten Motoren mehr Sicherheit, sofern ihre Spezifikationen und Additive eine Verwendung zulassen. Letztere können bei sehr frühen Baujahren Lagerwerkstoffe und Dichtungen angreifen.
6. Triebwerke mit gemeinsamer Ölversorgung von Motor, Getriebe und Nasskupplung erfordern Spezialöle nach JASO MA oder JASO MB mit erhöhtem Kupplungsreibwert und einer HTHS-Viskosität höher als 3,5 mPa*s (Motorradöle).
7. Super-Leichtlauföle mit ihrer verringerten HTHS-Viskosität gehören weder in Wälzlagermotoren noch in Triebwerke mit gemeinsamer Ölversorgung von Motor und Getriebe und dürfen generell nur gefahren werden, wenn eine ausdrückliche Freigabe des Kfz-Herstellers vorliegt, um keine Motorschäden zu riskieren.
8. Synthetik-Mehrbereichsöle dürfen einen größeren Viskositätsbereich abdecken als ursprünglich vom Kfz-Hersteller zugelassen, also beispielsweise 10W-50 statt 20W-40.
9. Getriebe in Zweitakt-Youngtimern laufen zu kalt für Viertakteröle und sind mit Spezialölen besser versorgt (Motul Two Stroke Gear Box Oil 10W-30, auch in vollsynthetisch).
10. Zu guter letzt: Frisches Öl schmiert am besten. Öl altert nicht nur im Betrieb, sondern auch durch Zeiteinwirkung. Mit halbierten Ölwechselintervallen verwöhnt man seinen Motor. Wenn man ihn startet, muss er auch komplett warm gefahren werden, mindestens 25 Kilometer. Jeder Kaltstart bedeutet Verschleiß, weil die Durchölungszeit Minuten dauern kann. Eben kurz anlassen und dann für Wochen und Monate wegstellen ist Gift für jeden Motor.
Die heile Welt gibt´s nur im Märchen
Die eierlegende Wollmilchsau wurde auch auf dem Schmierstoffsektor noch nicht erfunden. Der vorliegende Artikel öffnet die Tür zum Schmierstoffthema nur einen kleinen Spalt und soll einladen, weiter zu forschen, sich selbst ein Bild zu verschaffen und zu einer stets nachvollziehbaren, logischen Entscheidung zu gelangen, welches Öl für den eigenen Bedarf den besten Kompromiss darstellt und die wenigsten Risiken beinhaltet. "Expertentipps" sollte man immer mit einer gesunden Portion Skepsis beurteilen, vor allem solchen wie: "Verwenden sie ein mild legiertes Öl." Fahre ich vielleicht ein scharf legiertes Öl? Salopp formuliert könnte man sagen, dass auf kaum einem anderen Gebiet so viel Unwissen und Halbwissen verbreitet wird wie auf dem Schmierölsektor. Am wenigsten hilfreich sind dabei die Werbeaussagen. Am besten, man eignet sich selbst ein solides Grundwissen an und lässt sich kein X für ein U vormachen, weder von alten Hasen noch von Grünschnäbeln aus Internet-Foren, noch von Schmierstoff-Anbietern. Hier muss man unter Umständen die Erfahrung machen, dass ein weniger geeignetes Öl empfohlen wird, weil das richtige Öl im eigenen Warenangebot nicht enthalten und nur von der Konkurrenz erhältlich ist.
Nur ein geringer Teil des aufgerufenen Endverbraucherpreises deckt den Forschungsaufwand, die verwendeten Rohstoffe und die Herstellungsqualität ab. Ein hoher Endverbraucherpreis ist kein Qualitätsindex. Bei den Ölmultis finanzieren die Endkunden auch die Größe der Organisation, die Gier der Spekulanten, Sponsoring-Aktivitäten, Motorsport-Einsätze, Werbeetats, Transporte und den weltweiten Zwischenhandel. Mittelständische inländische Firmen mit einem erstklassigen Warenangebot und direkteren Vertriebswegen, die weniger für Werbung und Sponsoring ausgeben, bieten ihre Produkte preisgünstiger an. Liqui Moly, Motul Classic, Fuchs und Rektol zum Beispiel befassen sich auch mit technischen Anfragen von Privatleuten. Neben Tankstelle und Supermarkt hat man die Wahl des spezialisierten Schmierstofffachhandels und renommierter Zubehör-Spezialisten. Auch im Baumarkt lohnt sich der prüfende Blick ins Ölregal, wenn nicht nur der Preis, sondern auch Glaubwürdigkeit, Qualität und Spezifikation stimmen.
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